Du hast ein neues Bild auf Instagram gepostet, auf dem du die letzte Partynacht dokumentiert hast. Kurz darauf schaut ein Personaler über die Google-Suche auf deinem Instagram Account vorbei und findet neben dem aktuellen Partybild auch weiteres „unseriöses“ Bildmaterial. Eigentlich ein alter Hut. Ähnliche Szenarien gab es nämlich schon vor Jahren bei Facebook und davor bei StudiVZ, doch bedingt das Fortschreiten der Digitalisierung, die Selbstverständlichkeit der Nutzung und die stetige Verbesserung von Suchalgorithmen die Aktualität dieses Themas. Dabei wurde in diesem Beispiel die Relevanz von Social Media bei der Jobsuche aus einer sehr negativen Perspektive betrachtet. Dabei gibt es eine Vielzahl an Social Media Aspekten, die sich sowohl für Bewerber als auch Unternehmen als überaus positiv und hilfreich im Bewerbungsprozess herausstellen können.
So hinterlassen viele von insb. jüngeren Bewerbern einen eindeutigen digitalen Fussabdruck. Dieser Fussabdruck erstreckt sich nicht nur auf Instagram, Snapchat, o.ä. sondern häufig auch auf Karrierenetzwerke, wie Linkedin und Xing. Hierdurch eröffnen sich unternehmensseitig neue Möglichkeiten für das Recruiting und Bewerbungsprozesse insgesamt. Viele Unternehmen habe in den letzten Jahren auch enorme Anstrengungen unternommen, um auf einschlägigen Plattformen Fuss zu fassen und eine ganzheitliche Social Media Strategie für den HR-Bereich formuliert. Dabei dienen die zuletzt genannten Karrierenetzwerke insbesondere zur Direktansprache von potenziellen Kandidaten, die ihren Lebenslauf umfassend offenlegen und „suchbar“ machen. Neben der Direktansprache sollte selbstverständlich auch das eigene Unternehmensprofil gepflegt sein, damit dem Bewerber auch ein ansprechender erster Eindruck vermittelt wird und sich der Wunsch festsetzt für das Unternehmen arbeiten zu wollen.
Gerne würden wir nun nochmals das zu Beginn genannte Beispiel mit den Partybildern auf Instagram aufgreifen. Du, als Bewerber, fliegst nicht automatisch aus dem Bewerbungsprozess, wenn dein Instagram-Account von Alkoholleichen gepflastert ist. Vielmehr wägen Personaler je nach Stellenbeschreibung ab, ob dein transparentes Partyleben mit der zu besetzenden Stelle vereinbar ist. Dies liegt innerhalb der Ermessensgrundlage des Personalers, der –auch je nach eigenen Erfahrungen– bestimmte Freizeitaktivitäten und bestimmte Online-Verhaltensweisen präferiert.
Bleiben wir aber noch ein bisschen in der Perspektive der Personaler. Wie oben kurz angemerkt gibt es viele Unternehmen, die Social Media Recruiting und die Präsenz in sozialen Medien ernst nehmen. Allerdings beschränkt sich dies oftmals nur auf große multinationale Unternehmen oder Personalberatungen, die ihrem Brot-und-Butter-Geschäft nachgehen. Dabei muss ALLEN Unternehmen klar sein, dass sie dorthin gehen müssen, wo sie potenzielle Kandidaten erreichen und überzeugen können. Dies geht einerseits über Karrierenetzwerke. Anderseits geschieht die eigentliche Überzeugungsarbeit wesentliche subtiler über Blogs und Bewertungsportale. Blogs helfen dabei sympathische Einblicke in das Unternehmen zu gewähren und dabei die Sprache der Bewerber zu sprechen. Bewertungsportale, wie dabego, dienen dazu, um auf Feedback von Mitarbeitern und Bewerbern reagieren zu können und darüber zu zeigen, wie intensiv man sich um (potenzielle) Mitarbeiter kümmert. Das Problem dabei ist, dass das nicht von alleine oder im Vorbeilaufen funktioniert. Vielmehr benötigt man Mitarbeiter mit Know-How und enormen Engagement, um diese Kanäle der sozialen Medien zu bespielen.
Aber nicht nur Mitarbeiter sind vonnöten, sondern eine übergeordnete Strategie und passende Zielgrößen. So müssen zuerst Zielgruppen festgelegt werden. Denn heutzutage tummelt sich einfach jeder in sozialen Medien. Deshalb ist es wichtig zuerst herauszufinden, wer zu adressieren und wo diese Personengruppe aufzufinden ist. Hat man dieses Problem gelöst, muss eine übergeordnete Strategie aufgesetzt werden, mit welchen Mitteln diese Personen zu erreichen sind. Schließlich soll Social Media Recruiting effektiv und effizient sein und nicht unwirksam. Geschulte Mitarbeiter müssen mit relevanten Medien umzugehen lernen und fortwährend nutzen. Content muss erstellt werden und die Art des Contents ist festzulegen. Setzt man auf Storytelling oder lediglich auf schöne Bilder oder auf etwas anderes? Es ist ein wahres Bündel an Fragen und Kompetenzen, die gelöst und akquiriert werden müssen, eh eine funktionale Strategie verlautbart werden kann. Zuletzt gilt es alle Aktionen in den sozialen Medien zu messen. Schließlich sollen Unternehmen hinterfragen, ob die Strategien tatsächlich greifen, oder ob es neue Entwicklungen im sehr schnelllebigen Digitalmarkt gibt auf die zu reagieren sind. Hierzu sind individuelle KPIs festzulegen, um die adäquate Erfolgsmessung zu gewährleisten.
Die Realität sieht leider anders aus. Klar, Karriereseiten und Jobbörsen werden von fast allen Unternehmen hierzulande verwendet. Wenn es aber um massenpopuläre soziale Medien geht, sieht die Situation sehr mau aus. Laut Schätzung ist davon auszugehen, dass rund 3/4 aller deutschen Unternehmen Youtube, Twitter, Pinterest, Snapchat und Instagram nicht für das Recruiting nutzen. Dabei ist auf Basis von Interviews festgestellt worden, dass sich die Unternehmen über die Relevanz dieser und weitere Social Media Channels im Klaren sind, doch der Zeitaufwand einfach zu groß ist diese Kanäle umfänglich zu nutzen.
Interessanterweise trifft dies nicht nur auf Unternehmen zu, sondern auch auf Kandidaten. Diese nutzen hauptsächlich Jobbörsen, um aktiv nach Stellenausschreibungen zu suchen. So ist ca. jeder zweite Jobsuchende nur auf Karriereseite von Unternehmen unterwegs. Noch düsterer sieht es auf Youtube oder direkt auf Facebook aus, weil aber auch weniger Möglichkeiten für Bewerber bestehen. Folglich stellt sich die Frage, ob der interne Aufwand, Social Media Recruiting ordentlich betreiben zu können, tatsächlich gerechtfertigt ist. Eine eindeutige Antwort darauf können wir nicht geben. Aber insbesondere vor dem heraufbeschworenen „War for Talents“ sollten Unternehmen möglichst viele Möglichkeiten nutzen an die besten Mitarbeiter zu kommen. Hier bietet sich großes Innovationspotenzial, um neue Lösungsansätze zu finden und potenzielle Mitarbeiter über soziale Medien zu kontaktieren und zu akquirieren. Andererseits kann man die dafür nötigen Ressourcen in etablierten Bewerbungsprozessen, z.B. über Massenbewerbungseingänge durch reichweitenstarke Jobportale, stecken, und die Top-Talente besser identifizieren.
Als Fazit können wir festhalten, dass Social Media Recruiting seit Jahren ein relevantes Thema ist und dessen Wichtigkeit auch bekannt ist. Allerdings sind enorme Ressourcen notwendig, um eine vollumfängliche Social Media Recruiting Strategie zu implementieren. Deshalb fokussieren viele Unternehmen ihre Ressourcen primär auf die Auswertung von Massenbewerbungseingängen von reichweitenstarken Jobbörsen und der Pflege von unternehmenseigenen Karriereseiten. Die aktive Ansprache über soziale Medien, wie Facebook oder Youtube, gestaltet sich als sehr aufwendig. Dabei kann grade perspektivisch die Durchführung von effektivem Social Media Recruiting den Unterschied machen, um tatsächlich die besten Mitarbeiter für ein Unternehmen gewinnen zu können.